Geschichte

Einer der ältesten Hinweise auf ein frühes Furtwanger Fasnachtsbrauchtum ist der „Hirschmontag“ oder besser Hirschmendig genannt. Der „Hirschmendig“, die sogenannte „Alte Fasnet“ findet nicht nur in Arthur Duffners Gedichtband „Schwarzwälder Leben“, erschienen 1900, eine entsprechende Würdigung, sondern auch bei Primus Dorer (Altbernhardenbauer), 1 der 1950 seine Erinnerungen an die Fasnacht 80jährig niederschrieb.

Bei Dorer lesen wir: „Der Hirschmontag oder die alte Fasnet wurden nur durch Arbeitsruhe und private Zusammenkünfte gefeiert. Indem Dorer die Frei- und Feiertage der Arbeiter, Uhrmacher, Feldknechte und Mägde besonders erwähnte, unterstrich er die Bedeutung des Hirschmendigs. Zwar fanden zumindest im 19. Jahrhundert an diesem Tag keine allgemeinen Aktivitäten, etwa in Form von Umzügen, mehr statt, doch war der Hirschmendig immer noch arbeitsfrei – er muss also eine besondere Rolle gespielt haben. Wörtlich heißt des diesbezüglich bei ihm : „Vom 24. Dezember des alten Jahres bis 7. Januar des neuen Jahres, jeden Donnerstagnachmittag (Gammel) von Weihnachten bis Fasnacht. Die drei Fasnachtstage und der Hirschmontag als letzter Ferientag.“ 15 Danach wurde gearbeitet und erst die drei Kirchweihtagen (Kilwi) waren wieder arbeitsfrei.

Sicher kann davon kein lebendiges Fasnachtsgeschehen oder eine Beschreibung der Fasnacht abgeleitet werden, aber die wenigen freien Tage wurde zu geselligen, zum Teil sehr ausufernden Festen und Feiern mit Tanz und üppigem Essen und Trinken genutzt, was Primus Dorer in seinen Erinnerungen an den Hirschmendig ja ausdrücklich bestätigt.

Mit dem Hirschmendig erhalten wir einen deutlichen Hinweis auf ein mittelalterliches Narrentum. Die Beibehaltung von närrischen Elementen der „Alten Fasnacht“ geht auf die Weigerung einzelner Bevölkerungskreise zurück, insbesondere der Bauern, die neue Fastenregelung der Kirche anzuerkennen. Es trat nämlich als Folge des Konzils von Benevent im Jahre 1091 eine Regelung in Kraft, die die Sonntage als Fastentage aussparte, wodurch sich die Fastenzeit allerdings um sechs Tage verlängerte, die „vorne d´rangesetzt wurden“. So konnte am Hirschmendig eigentlich keine Fasnacht mehr gefeiert werden, was zuvor der Fall gewesen war. Der „Hirsch-“ oder „Hirsemontag“, wie er teilweise genannt wurde, war früher der eigentliche Fasnachtstag, und die Fastnachtszeit begann mit dem Dienstag nach dem „Hirse-“ oder „Hirschmontag“ bzw. nach dem Sonntag Invokavit.

Doch was bedeutet der Hirschmontag nun, woher hat er seinen Ursprung? Eindeutig lässt sich diese Frage nicht beantworten. Denkbar ist, dass der Name von „Hirse“ stammt, so spricht Arthur Duffner in einem Gedichtband „Schwarzwälder Leben“ davon, dass es infolge der Fastenzeit nur Hirsebrei zum Essen gegeben habe, was aber dem Sinn der Fasnacht als ein ausgelassenes Fest mit üppigem Essen ins Gegenteil verkehren würde. Richard Dorer und Primus Dorer hingegen leiten den Namen von „Hirschzungen“ ab, weil man früher die Fasnetküchlein so genannt habe. Unwahrscheinlich scheint, dass der Hirschmontag auf ein Gelübde zurückzuführen ist. In Lenzkirch wurde beispielsweise zu Ehren des Heiligen Eulogius am Hirschmontag eine Feier begangen, bei der man an die sogenannte „Hirschkrankheit“ erinnerte. Dabei handelt es sich um eine Art Rinderpest, eine Seuche, die den gesamten Viehbestand vernichtet haben soll.

Das aus meiner Sicht am ehesten zutreffende Erklärungsmodell findet sich in dem Buch „Sitten- und Religionsgeschichte“ von A. Fahne von 1850. Darin wird für das schweizerische Entlebuch von einem „Hirsemontag“ oder „Gaudismontag“ berichtet, bei dem ein „Hirsemontagsbote“ (Narrenfigur) seine Possen treibt. In Entlebuch wird der „Hirsemontag“ von „hirsen“ sprich „zechen“ (trinken) hergeleitet. Der schweizerische „Hirsemontag“ ist der eigentliche Fasnachtsmontag.

In Furtwangen ist der „Hirschmontag“ seit über 200 Jahren fest mit dem Gasthaus „Raben“ verbunden, das 1746 erbaut wurde. Per Zeitungsanzeige wurde auch 1893 zum „Hirschmontag“ in das Gasthaus eingeladen.

Erwähnt wird hier der „Hirschmendig“ auch in der Chronik von Schönenbach. Walter Fauler scheibt, es finde sich für 1796 ein Eintrag in den Kirchenbüchern. Eine abschließende Deutung des „Hirschmonatgs“ bleibt zukünftigen Forschungen vorbehalten.

So bleibt zum „Hirschmontag“ festzuhalten, dass er ein Bindeglied zwischen der „alten“ und „neuer“ Fasnacht ist. Und der unmittelbare Zusammenhang der „Alten Fasnacht“ mit der neuen Fastenregelung weist uns gleichzeitig auf die christlich-religiösen Wurzeln der Fasnacht und den im Mittelalter bestehenden strengen Fastengeboten sowie auf die zeitliche Einordnung der Fasnacht im kirchlichen Jahreslauf hin.

Das strenge Fastengebot wurde von einigen jedoch offensichtlich immer wieder gebrochen und die Fasnachtsnarretei entgegen den kirchlichen Geboten offensichtlich auch in Furtwangen gelegentlich über den Aschenmittwoch hinaus fortgesetzt, wie wir später noch sehen werden. Bei Mezger erfahren wir, dass diese „Unbotmäßigen“ dafür einen Grund bzw. Vorwand hatten. „Sie beriefen sich auf die sogenannte Alte Fasnacht, die um eine Woche hinter dem inzwischen üblichen Fasnachtstermin herhinkt.“ 3 „Diese alte Fasnacht oder Bauernfasnacht, so Mezger, ist übrigens noch heute vielerorts als Funkensonntag mit Funkenfeuer und Scheibenschlagen bekannt“ oder hat sich in anderen Bräuchen wie dem „Hirschmontag“ (Anmerkung des Verfassers) teilweise erhalten. Nicht uninteressant in diesem Zusammenhang dürfte sein, dass es auch in früheren Zeiten in Furtwangen ein Scheibenschlagen gegeben haben muss.4

Quelle : Kap. 2 „Auf der Suche nach den Wurzeln der Furtwanger Fasnacht“ aus dem Buch „Hanseli, Hexe, Spättle…, die Geschichte der Furtwanger Fasnet“ von Roland Wehrle.

Anmerkungen:

1, 2 Primus Dorer : Die Furtwanger Fasnacht in frühen längst vergangen Zeiten, Furtwangen 1950

3  Werner Mezger : Narretei und Tradition. Die Rottweiler Fasnet, Stuttgart, 1984 S. 35

4      Dies zeigt deutlich die Karte aus dem Heimatatlas der Südwestmark Baden. Vgl. Wolfgang Schoch : Wenn die Fasnacht zu Ende geht? In: Zur Geschichte der organisierten Fasnacht. Hg. Von der Vereinigung Schwäbisch-Alemanischer Narrenzünfte, doldverlag, Vöhrenbach 1999, S. 214